„Ich höre hirnlose Parolen, von Idioten und Verlierern“ – Deutschland im Herbst, ein wirklich toller Song der Onkelz mit eindeutiger Position. Er entstand in einer politisch turbulenten Zeit: Wenige Jahre nach der Wende, der Kapitulation des Sozialismus, einem zunehmenden Rechtsruck mit vielfachen Parolen gegen Asylsuchende sowie brennenden Flüchtlingsunterkünften. Wirtschaftliche Instabilität im Osten, Turbo-Kapitalismus im Westen der neuen Bundesrepublik. 1993 der musikalische Doppelschlag der Onkelz mit den Alben „Schwarz“ und „Weiß“. Jedoch sind die damals besungenen „weißen Geräusche“ auch heute wieder viel zu laut zu hören. Umso gewichtiger ist unsere heutige Mission, von mir, Marcel, und meiner Frau Diana. In wenigen Tagen jährt sich die Kapitulation von Nazi-Deutschland zum 80. Mal, das Ende eines unmenschlichen und abscheulichen Krieges in Europa. Das Gedenken sowie das gleichzeitige Mahnen und Erinnern ist für uns Anlass, uns der landesweiten „Stolpersteine“-Aktion anzuschließen und die uns in diesem Zusammenhang zugewiesenen Steine in Lübeck zu putzen.

In der Roeckstraße finden wir den Stein von Nathan „Walter“ Engel. In Ostpreußen geboren, mit 11 Geschwistern aufgewachsen. 1933 erzwangen die Nazis den Verkauf seiner Firma, die er 1922 gegründet hat.1938 geschah selbiges mit seinem Wohnhaus, einer ansehnlichen Villa. 1942 wurde Engel in das Konzentrationslager Theresienstadt deportiert, wo er am 30.10.1942 starb.

Während des Säuberns des Steines höre ich gespannt den Erzählungen von Diana zur Person zu und kann mir kaum ausdenken, was für eine schlimme Zeit es damals war, insbesondere wenn man nicht zu den „Auserwählten“ gehörte. Furchtbare Dinge sind passiert. Dinge, die man seinen Mitmenschen unter keinen Umständen antun darf.

Unsere nächsten zwei Steine liegen in der Adolfstraße. Allein der Name lässt uns schaudern, ist dieser selbst ernannte Gröfaz doch der Urheber dieser Schreckensherrschaft – und mit ihm ein bedingungslos gehorchender Teil des Volkes. Doch nicht jeder Adolf ist ein Führer und so wenden wir uns den Personen zu, deren Steine wir dann auch putzen: Elsa Strauß, geborene Stern und ihrem Sohn Walter, den sie 1911 gebar. Sie wurde 1880 in Hessen geboren, zog nach Chemnitz zu ihrem Mann. Als dieser 1912 starb, hatte sie es nicht leicht mit einem einjährigen Kind. Deshalb zog sie 1915 zu ihrem Bruder Dr. Max Stern nach Lübeck. Hier lebte sie gut, bis 1938 ihr Haus, das sie als Pension führte, durch einen sogenannten „Arisierungsverkauf“ an einen linientreuen Gastwirt übertragen wurde. 1941 kam der Evakuierungsbefehl. Dieser besagte, dass sie zum Arbeitseinsatz nach Osten müsse. Am 6.12.1941 wurde sie nach Riga deportiert und starb im März 1942, vermutlich durch Erschießung im Bikernieki-Wald.

Es sind nur drei Steine, die wir heute putzen. Doch die Schwere der Erinnerungen, dieser Geschichten, die hinter diesen Personen stehen, die durch ein Unrechtsregime würdelos ihre Leben lassen mussten, bleibt zurück. Und dieses Gefühl ermahnt uns für die heutige Zeit: achtsam zu sein. Ganz im Sinne der am 11. Mai verstorbenen Holocaust-Überlebenden Margot Friedländer: „Seid Menschen. Wir sind alle gleich. Es gibt kein christliches, kein muslimisches, kein jüdisches Blut. Es gibt nur menschliches Blut. Alles ist gleich.“

Wenn auch Du Lust hast, eine solche Aktion zu unterstützen oder sogar selbst zu planen und durchzuführen, melde Dich unter https://mein.bosc.de an.