„Ich starre auf mein Bild und lese in mir selbst, aus dem Legendenbuch, aus meiner Welt“ – so denke ich manchmal, wenn wir, das Stuttgarter Licht der Hoffnung Aktionsteam, unter der Paulinenbrücke unseren Posten beziehen und mit den dort versammelten Menschen, meist Leute, die mit Suchtproblematiken behaftet sind, ins Gespräch kommen und nebenbei die Dinge des alltäglichen Gebrauchs verteilen. Dieses, wie ich finde, sehr geile Lied der Onkelz schwirrt im Nachgang oft durch meinen Kopf. Sicherlich gibt es allzu viele strukturelle Missstände, die dazu führen, dass wir uns auf unserem Kurs durchs Leben verlieren können; dass wir Umwege ausprobieren, in Sackgassen enden. Und dennoch liegt es an uns selbst, einen Ausweg zu finden. Manchmal benötigen wir die Hilfe anderer, oftmals braucht es ebenfalls die Unterstützung von sozialen Einrichtungen – aber am Ende bleibt es dabei, dass wir die eigenen Ressourcen wie Kraft, Ausdauer, Wille und Motivation anzapfen müssen, um unseren Hals aus der Schlinge oder den Kopf aus der Scheiße zu ziehen. „Das Problem bist du“ und gleichzeitig auch die Lösung!
Deshalb ist auch Hoffnung so wichtig. Und diese möchten wir versprühen, möglichst regelmäßig und niederschwellig. Daher treffen wir uns im Parkhaus nahe der Stuttgarter Innenstadt und präparieren unsere Bollerwagen: Jensi hat heute seinen Neffen dabei. Bei der letzten Aktion war als Gast sein Bruder Marc am Start – der mittlerweile B.O.S.C. Mitglied ist. Jensi ist also sehr erfolgreich bei der Werbung von Neumitgliedern, die uns dann tatkräftig bei den Aktionen unterstützen. Steffi ist heute wieder mit Tochter Tina dabei, Anne und Hacki haben ihren Sohn Aaron mitgebracht. Und ich, Sizzla, darf bei der Sommeraktion – der Stuttgarter Kessel weist 28 Grad auf – auch nicht fehlen.
Unser erstes Ziel ist wie immer die Paulinenbrücke. Auch dort steht die Hitze und man merkt den Leuten deutlich an, dass sie mit den Temperaturen kämpfen. Einem jungen Mann ist der Konsum heute deutlich anzusehen: Er steht vor Anne, schwankt und nuschelt beim Sprechen. Man versteht ihn kaum. Wir können ihn mit Getränken und etwas Nahrung versorgen. Seine Hand ist aufgekratzt und etwas blutig, dank der Feuchttücher kann er sich säubern, seine benutzten Tücher können direkt bei uns im Müll entsorgt werden.
Der Mann mit dem Bein, den wir nun so oft bei unseren Aktionen antreffen, erzählt Hacki, dass er regelmäßig zur Pflege geht und sich der Zustand seiner Verletzungen am Bein deutlich gebessert hat. Er „probiert“ zwei kurze Hosen an, indem er die Elle in den Hosenbund legt: „Wenn das so passt, dann passt es auch, wenn man die Hose anzieht“. Ich denke mir, dass ich das mal zuhause ausprobieren muss, weil mich jetzt interessiert, ob das stimmt. Dann geht der „Anprobier-Trick“ in die Kategorie „Was ich von Großmutter respektive Großvater noch lernen kann“. Nach einer Weile und einigen Gesprächen sowie allerlei ausgegebenen Dingen verabschieden wir uns mit dem Hinweis, das nächste Mal erst im September kommen zu können.
Heute testen wir eine andere Strecke, da Anne in der Zeitung gelesen hat, dass es einen Konsumraum im Leonhardsviertel geben soll. Während wir durch die Straßen ziehen, fällt uns auf, dass wir die Strecke kennen: an Stuttgarts „Rotlichtviertel“ vorbei in Richtung Kirche, wo im Januar die Vesperkirche stattfindet. In unmittelbarer Nähe davon ist ein Parkhaus, dort gegenüber: der besagte Raum. Eine Frau versorgen wir auf dem Gehweg davor, ein paar andere auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Danach drehen wir eine Runde um die Kirche und beschließen, in Richtung eines Supermarktes in der Nähe des Hauptbahnhofs zu gehen – jedoch nicht durch die Königstraße.
Es ist ziemlich warm in der Stadt, laut und viel Getümmel. An allen Ecken und Enden auf dem Weg durch die Stadt sehen wir Veranstaltungen, Kundgebungen oder einfach nur Menschenmengen. Durch den Schlosspark führt es uns in Richtung Bahnhof. Auf diesem Weg treffen wir wenig Bedürftige an. Am Supermarkt angekommen, ist noch niemand dort versammelt. Jedoch sitzt an der Straßenecke eine Gruppe von Leuten, die gleichfalls Onkelz-Fans sind. Mit ihnen sprechen wir – auch über die beiden anstehenden Konzerte im Dezember hier vor Ort – und beschließen anschließend, dass wir die Aktion für heute beenden. Die Bollerwagen sind fast leer, lediglich Getränke und 4 Schokobrötchen haben wir noch vorrätig. Durch die Hitze sind wir auch recht platt und freuen uns auf den Absacker im Paulaner im Anschluss an die Aktion. Denn Gutes tun strengt manchmal an und all das Erlebte muss irgendwie verarbeitet werden.
Wenn auch Du Lust hast, eine solche Aktion zu unterstützen oder sogar selbst zu planen und durchzuführen, melde Dich unter https://mein.bosc.de an.