Wie so oft sind Lieder der Böhsen Onkelz ihrer Zeit voraus oder sogar genau für solche Momente wie heute formuliert. Klar, es gibt auch Partykracher, keine Frage, und auch feierliche Lieder. Wer aber über den Tellerrand hinausschaut, den Schleier der Blindheit, quasi die Gardine vor den Augen zur Seite schiebt und im wahrsten Sinn des Wortes „zu nah an der Wahrheit“ ist, sieht, dass Menschen Hilfe benötigen, ganz gleich welchen Alters oder aus welchen Schicksalsgründen. Altersarmut, Einsamkeit, Schicksalsschläge von A-Z, all das ist auf den Straßen Dortmunds vorhanden. Es ist zudem der letzte Samstag im Monat – Zeit also für die nächste Licht der Hoffnung-Aktion an Ort und Stelle.
Chris, Christian, Dennis, Helge, Heike, Heiko, Kai, Markus, Patrick, Sina, Stevi, Volker und ich, Sandra, treffen uns um 13:00 Uhr im Bahnhofsparkhaus. Dort bestücken wir insgesamt neun Bollerwagen mit Kleidung, Hygienepacks, Getränken, Terrinen, Bananen, Schokobrötchen, Schoko-Osterhasen etc. Dank einer Spende haben wir außerdem noch Socken, Unterwäsche, Mützen und ein paar Schlafsäcke im Gepäck.
Eine gut gelaunte Truppe macht sich auf den Weg zum ersten Halt am Hauptbahnhof. Dort versorgen wir viele bekannte sowie einige unbekannte Menschen mit dem Nötigsten. Dinge, die für die meisten von uns selbstverständlich sind. Dankbar werden Terrinen, Getränke, Hygienepacks, Bananen usw. entgegengenommen. Einige Bedürftige freuen sich sehr über einen neuen Schlafsack. Erst kürzlich wurde hier vom Ordnungsamt für eine eher zweifelhafte „Ordnung“ gesorgt und viele Bedürftige haben jetzt gar nichts mehr. Eine sehr junge, schwangere Frau freut sich neben den Dingen für sich selbst über Hundefutter für ihren Vierbeiner.
Weiter geht es in Richtung Fußgängerzone, wo wir vielen Bedürftigen ein Lächeln ins Gesicht zaubern können. Ich komme mit einer alten Dame ins Gespräch, die mich um einen Schluck Saft bittet. Da sie unter Parkinson leidet, helfe ich ihr beim Trinken. Unter Tränen erzählt sie, dass sie innerhalb von kurzer Zeit ihre ganze Familie verloren habe. Vor ihrer Erkrankung habe sie sich ebenfalls für Obdachlose eingesetzt und geholfen. Sie bittet mich, die Aktionen auf jeden Fall weiterzumachen – dieses Versprechen kann ich ihr ohne Zögern geben! Es wird wieder so deutlich, wie dankbar die Menschen für unser echtes Interesse und für ein paar nette Worte sind. Ein Mann, der auf den ersten Blick nicht bedürftig wirkt, nähert sich zögerlich. Im Gespräch stellt sich heraus, dass er seit neun Jahren auf der Straße leben muss. Es ist ihm sichtlich unangenehm, um Hilfe zu bitten.
Wir ziehen weiter in Richtung einer uns bestens bekannten Drogenhilfeeinrichtung nahe des Westentors. Hier treffen wir viele Menschen, die wir bereits kennen und auch solche, die wir neu kennenlernen dürfen. Unsere Wagen sind in kurzer Zeit restlos leer und die Dankbarkeit ist groß. Eine Frau, die vor einigen Monaten den letzten Onkelz-Schal bekam, hatte diesen direkt ihrer weinenden, verzweifelten Freundin geschenkt. Heute treffen wir sie wieder und sie bekommt einen eigenen. Ihre Begeisterung ist grenzenlos, und als Christian mit einer bedürftigen Dame im Rollstuhl „Zu nah an der Wahrheit“ anstimmt, fühlt es sich für einen Moment so an, als ob alles E.I.N.S. ist.
Während wir alle noch mitsummen, sieht Stevi einen Mann auf dem Boden sitzen, der vom Alter her noch alles vor sich hat. Er ist 21 und hat damals mit „Freunden“ das erste Mal konsumiert. Von den handelsüblichen öffentlich erhältlichen Rauschmitteln wie Alkohol wechselte er zu härteren Substanzen, um einen immer größeren Kick zu bekommen. Er wolle das nicht mehr und runter von der Straße. Seine Erkenntnis ist also da, aber was kann man diesem Menschen noch mitgeben außer Kleidung und Nahrungsmittel? Aufbauende Worte und die Bitte, den Glauben nicht zu verlieren, auch mit Sicht auf den Werdegang von Kevin Richard Russell. Mit einer leicht zittrigen Stimme und sichtlich nassen Augen verabschiedet sich der Mann von uns und dankt uns von Herzen für die Minuten, die wir uns austauschten, und der abschließenden Frage: „Warum macht ihr das? Ihr kriegt doch kein Geld dafür…“. Stevi erläutert ihm, dass es verschiedene Gründe für jedes einzelne Mitglied gibt, im Endeffekt alle aber das gleiche wollen: „mindestens die Welt verändern, bevor wir gehen.“.
Mit nur noch etwas Kleidung machen wir uns auf den Rückweg in Richtung Hauptbahnhof. Bevor wir die Bollerwagen in den Autos verstauen, halten wir natürlich bei unserem Lieblings-Dönerimbiss an. Während wir uns stärken, tauschen wir uns über die sehr gute und erfolgreiche Aktion mit vielen tollen Menschen aus.
Wenn auch Du Lust hast, eine solche Aktion zu unterstützen oder sogar selbst zu planen und durchzuführen, melde Dich unter https://mein.bosc.de an.