Es ist mal wieder Samstag in Stuttgart. Heimspiel für den VfB, der gegen Köln spielt. Das alles interessiert uns sieben Mitglieder jedoch nicht. Wir treffen uns heute mal wieder, um den mittellosen Menschen, die entweder kein Dach über dem Kopf haben oder aus anderen Gründen ihre Zeit auf den Straßen der Landeshauptstadt verbringen, etwas Licht und Wärme zu bringen.

Mit drei vollbepackten Bollerwagen ziehen wir gegen 15 Uhr los, um an der Paulinenbrücke insbesondere Konsumierende mit Lebensmitteln, Heißgetränken, Merch- oder Second-Hand-Kleidung und Hygieneartikeln zu versorgen. Dabei kommen wir auch mit den Menschen vor Ort ins Gespräch. Es ist mal wieder viel Polizei um uns herum – eine Staffel stürmt auf dem Weg zur Paulinenbrücke direkt an uns vorbei. Nach unserer Ausgabe werden wir feststellen, dass eine Anti-AfD-Demo durch diese Straße ziehen wird, was uns die hohe Polizeipräsenz erklärt.

Nicht alle unter der Brücke sind gut auf die Uniformierten zu sprechen. Einer erzählt mir, dass er neulich mitgenommen und von den Polizisten geschlagen wurde. Er sei natürlich unschuldig und zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden. Ich drücke ihm mein Mitgefühl aus, glaube aber nicht ganz, was er sagt. Denn im Nu dreht er sich um und ruft den Polizisten etwas hinterher…

Währenddessen verteilen Larissa und Linda Second-Hand-Kleidung, Jens und Thorsten geben Nahrungsmittel aus und Nila und Marcel sind mit Hygieneartikeln beschäftigt. Irgendwann haben wir alles erledigt und beschließen, durch die Königstraße in Richtung Rewe im Hauptbahnhof zu gehen. Denn dort versammeln sich gegen Abend andere Menschen, die sich ebenfalls über unsere Gaben freuen könnten.

Zwei Situationen bleiben bei mir besonders hängen: Einmal treffen wir zwei Männer, die am Rande der Königstraße sitzen. Sie sind sehr freundlich und zugewandt. Einer von ihnen zeigt Marcel direkt seine vielen Onkelz-Tattoos. Er freut sich sehr, als wir ihm einen E.I.N.S.-Schal schenken. Auch sein Kumpel bekommt einen, auch wenn er keine Onkelz-Tattoos hat. Jedoch hört er auch die Musik und deshalb ist der Schal bei ihm gut aufgehoben. Sie sind sehr bescheiden, was unsere übrigen Gaben angeht, unterhalten sich absolut freundlich mit uns. Und irgendwie hinterlässt das Ganze etwas Schwermütiges in mir.

Die andere Situation ist mit einem älteren Musikanten. Wir sprechen ihn an, als er gerade eine Pause macht, und fragen ihn, ob er einen heißen Kaffee oder Tee möchte. Er ist zunächst skeptisch und fragt dann auch, was das kostet. Wir klären ihn auf, dass wir das freiwillig machen und kostenlos an Menschen Dinge verteilen, die wenig haben und die gerade eine eher nicht so gute Zeit durchstehen müssen. Seine Skepsis verfliegt langsam und er freut sich dann zusehends, als Linda ihm noch Kleidung zeigt, die er gebrauchen könnte: eine nagelneue Mütze, ein paar Handschuhe, sowie einen Pullover. Er schlürft seine Suppe und freut sich über den Kaffee, wünscht uns Gottes Segen, spricht zigfach seinen Dank aus und wir sehen, wie wir in ihm die Lebensgeister – oder das Licht der Hoffnung – geweckt haben. Das berührt mich sehr, und ich bin in diesem Moment froh, dass wir es als Team tatsächlich nun seit über einem Jahr schaffen, regelmäßig diese Aktion in Stuttgart durchzuführen. Ich bin dankbar für die tollen Menschen, mit denen wir das tun. Und für die Erfahrungen, die wir dabei sammeln!

Nun ist es fast 17:30 Uhr und wir beschließen, mit leerem Essenswagen und sehr gut geleertem Kleiderwagen zurück zum Parkhaus zu gehen. Die Demo ist zu Ende, denken wir, denn als wir uns nun den Weg durch die hochfrequentierte Einkaufsstraße bahnen, sind viel mehr Menschen unterwegs als noch vor zwei Stunden. Ein Mann kommt uns entgegen, wir blicken uns kurz in die Augen. Im Sekundenbruchteil rattert es in Jens und mir fast gleichzeitig – wir bleiben stehen – der andere Mann auch und wir fragen, ob er etwas braucht. Kaffee oder Tee, das geht immer. Eine letzte Suppe haben wir auch. Linda ist dicht hinter uns mit dem Kleiderwagen – sicher haben wir da auch noch etwas, was ihm passen könnte. Er bedankt sich, sagt nein, er benötigt nichts. Er wollte uns nur sagen, was für tolle Menschen wir sind: Herzensmenschen. Weil wir das machen. Dann wünscht er uns alles, was man so wünscht. Auch das berührt mich und ich spüre, dass dieser Tag mit dieser Aktion sinnvoll und wichtig war. Dass es für uns nur ein paar Stunden Zeitaufwand ist, die aber gefüllt sind mit so viel Wesentlichem. Und dass wir Menschen uns dabei so nah sind – unabhängig von Herkunft, welchen Status, welches Geschlecht oder welche Religion. Wir sind Menschen miteinander füreinander. Und tragen das Licht der Hoffnung hinaus in die Welt, „entfachen dieses Feuer“ – und werden nicht zwangsläufig bessere Menschen, aber bekommen kurz eine bessere Welt…

Wenn auch Du Lust hast, eine solche Aktion zu unterstützen oder gar selbst zu planen und durchzuführen, melde Dich unter https://mein.bosc.de an.