„Schwarze Milch der Frühe wir trinken sie abends; wir trinken sie mittags und morgens wir trinken sie nachts“ – so beginnt das Gedicht „Todesfuge“ des deutschsprachigen Lyrikers Paul Celan, das er zwischen 1944 und 1945 verfasste und das den Alltag um Leben und Tod in Arbeits- und Konzentrationslagern während des Nationalsozialismus beschreibt. Wer es aushält, der kann, nein, sollte sich auf Youtube das von Celan persönlich vorgelesene Zitat anhören. Was genau Celan, der selbst in einem Arbeitslager festgehalten wurde, mit dem Oxymoron „Schwarze Milch“ ausdrücken wollte, ist Gegenstand vieler Interpretationen und für uns zunächst nebulös. Für die Familien Silbermann es das womöglich nicht …
 
Familie Silbermann, das waren die Eltern Israel und Johanna sowie die drei Söhne Siegfried, Julius und Alfred, wohnte in der Neue Straße 20 in der Osnabrücker Innenstadt. Geheiratet hatte Israel, der auch Isidor genannt wurde, seine Johanna, geborene Mahlsberg, 1903 in Münster. Der erste Sohn, Siegfried, ließ nicht lange auf sich warten und erblickte am 23.07.1904 das Licht der Welt, ein Jahr später folgte Julius. So weit liest es sich wie eine unauffällige Familienbiografie. Verhängnisvoll für die Familie wurde es jedoch, dass sie jüdisch war. Julius wurde nach der Pogromnacht 1938 verhaftet, nach Buchenwald deportiert und dort ermordet. Siegfried und seine Eltern wohnten ab September 1940 im sogenannten „Judenhaus“ in der Kommenderiestraße 11, von wo aus sie nach Theresienstadt deportiert und schließlich dort getötet wurden. Von Johanna wissen wir, dass sie am 14.09.1942 starb, Israel am 06. 09.1943. Wann Siegfried ums Leben kann, ist unbekannt. Einzig Alfred Silbermann konnte mit seiner Emigration 1939 nach Richborough in England der Todesmaschinerie entkommen.
 
Die Familie Silbermann wurde ermordet. Doch der Versuch der Nazi-Schergen, die Familien und damit die Existenz dieser Menschen gänzlich auszulöschen, schlug fehl. Denn noch heute wird die Erinnerung an sie wachgehalten, etwa durch die Aktion „Stolpersteine“, die der Aktionskünstler Künstler Gunter Demnik ins Leben gerufen hat. Auch in Osnabrück wurden Steine verlegt, etwa an besagter Neue Straße 20. Durch unsere Mitglieder Manuela und Kevin fand am 20.06.2021 eine Reinigung einiger Stolpersteine in Osnabrück statt, wobei schnell klar wurde, dass es nicht bloß ein „Putzen“ oder „Renigen“ ist. Es ist unmöglich, so eine Aktion unberührt von den Schicksalen der Menschen durchzuführen.
 
„Der Tod ist ein Meister aus Deutschland“, heißt es in Celans „Todesfuge“. Wenn man sich das beispielhafte Schicksal der Familie Silbermann anschaut, wird man Celan wohl zustimmen. Und es ist nur ein Beispiel von unsagbar vielen. Hinter jedem Stein steckt ein Schicksal und die Erinnerung daran. Diese wachzuhalten, ist ein wichtiger Beitrag, denn schon ein flüchtiger in Blick in die Zeitung genügt, um zu erkennen, dass Vergangenheit und Gegenwart sich nicht völlig fremd sind.
 
Wenn auch Du Lust hast eine solche Aktion zu unterstützen oder gar selbst zu planen und durchzuführen, melde Dich unter https://mein.bosc.de an.